Ein Jahr Homeoffice, Bewegungsmangel und Einsamkeit
Ein Beitrag von Swanhild Priestley
Aus therapeutischer Sicht zeigt die „Bilanz“ des vergangenen Jahres das Bild einer erschöpften
Gesellschaft. Für jeden von uns stellt die Pandemie eine große Belastung dar, zusätzlich zu den
Herausforderungen, die uns das Leben sowieso stellt.
Nachvollziehbar also, dass jetzt auch viele körperliche Beschwerden zunehmen: Verspannungen, Steifigkeit und Schmerzen durch die teilweise unmöglichen Arbeitsbedingungen im Homeoffice sowie die geschlossenen Vereine und Fitnessclubs. Dauerhafte Angst oder Einsamkeit erzeugt das Gefühl, nicht mehr richtig durchatmen zu können. Auf körperlicher Ebene entsteht dies häufig durch ein verkrampftes Zwerchfell – unseren Haupt-Atemmuskel. Unbewusst „halten“ viele von uns bildlich gesprochen und ganz real „die Luft an, bis es vorbei ist“. Ganz wichtig ist es aber „weiter zu atmen“, denn auch zu Corona-Zeiten geht das Leben weiter und niemand weiß genau wie lange es noch dauert und was sich am Ende langfristig für uns alle verändern wird.
Wir spüren alle mehr und mehr die Wirkung der Vereinzelung: Weniger gemeinsames Lachen,
Weinen, Tanzen, Genießen usw., weniger Umarmungen, Berührungen, Blickkontakte. Verständigung
findet nicht nur mit der Sprache sondern mit dem ganzen Körper statt. Viele Familien geraten über
die Einstellung zu und den Umgang mit Corona in Streit. Das alles löst nicht nur seelische sondern
auch körperliche Nöte aus, die oft eng miteinander verflochten sind.
Niemand, der jetzt selbst körperliche Symptome entwickelt, sollte also davor zurückschrecken aktiv
etwas dagegen zu unternehmen. Dafür kann auch professionelle Hilfe in Anspruch genommen
werden, denn die PhysiotherapeutInnen und medizinische MasseurInnen arbeiten, da sie
systemrelevant sind. Sie hören Ihnen in Ruhe zu, analysieren und benennen das Problem und
erstellen effektive und individuelle Behandlungskonzepte oder auch Trainingspläne für zu Hause. Die
lebenswichtige Berührung ist gerade auch für alleinlebende Menschen durch eine sanfte und gezielte
Massage möglich. Massagen senken nachweislich den Stresspegel. Hierdurch reduziert sich der
Muskeltonus und Schmerzen durch Verspannungen hören auf.
Wer jetzt zu lange zögert, entwickelt unter Umständen ein größeres körperliches Problem. Daher
sollten die Beschwerden angegangen werden, solange sie noch klein sind. Wenn wir zusätzlich unser
Verhalten im Alltag verändern: zum Beispiel auf unseren Atem achten und gezielte Übungen
regelmäßig durchführen, so wird es uns leichter fallen, die Situation zu akzeptieren und das Beste
daraus zu machen. Diese gesunde Einstellung kann sich auch auf unser Umfeld übertragen und so
können wir durch unser eigenes Verhalten und Handeln der Erschöpfung unserer Gesellschaft
entgegenwirken.
Herzlichst,
Ihre Swanhild Priestley